Killer

 

Ich plauder immer ein bisschen mit der betreffenden
Person, bevor ich sie liquidiere.

Ich erzähl, wer ich bin, warum ich ihr jetzt gegenüber sitz,
wer mein Auftraggeber ist und dass es kaum weh tun wird,
weil ich nämlich ein Profi bin.
Und dann versuch ich die betreffende Person etwas aufzubauen.
Den Männern sag ich, dass sie ruhig stolz sein können.
Weil sie ja so einen Art Heldenton sterben.
Nämlich früher als geplant. Wie im Krieg.
Den Frauen mach ich meistens Komplimente.
Dass sie schöne Augen haben und so.
Manche fragen mich dann, ob ich meinen Job gerne mach.
"Na klar," sag ich "weil ich ihn gut mach. Und was man
gut macht, macht man gern".
Viele weinen auch.
Meistens die Frauen.
Und dann tröst ich sie. Mit einem Gedicht von mir.

Blau wird Himmelblau
Rot wird Rosarot
Dein Lächeln wird unendlich sein -
Tränenverbot!
Flügeln wirst habenund da obn ummafliagn
und wenns aufgeigen, die Himmelsgeigen,
wirst mitjubilieren

Ja ja, die Frauen.
Zu ihnen versuch ich besonders nett zu sein,
bevor ich sie liquidiere.
"Schau," sag ich, "es wird schnell gehen.
Du wirst gut sterben.
Wusch - und schon bist oben. Ohne verabschieden."
"Glaub mir," sag ich, "verabschieden macht nur traurig.
Nur von mir wirst dich verabschieden" sag ich, "aber wir
werden uns wiedersehen. In meinen Träumen."
Ich seh sie alle in meinen Träumen wieder. Nicht immer
angenehm. Aber auf Dich freu ich mich schon." sag ich.
Und dann kommt die zweite Strophe von meinem Gedicht.

Omama und Opapa
freuen sich schon auf Dich
Himmelsbusserl werdens Dir geben
verpackt in Sternenlicht
Flügern werdens haben und entgegen werdens Dir fliagen
Und was aufgeigen, die Himmelsgeigen,
haben sie komponiert.

Die Männer, nein, die Männer weinen nicht so oft.
Manche versuchen sogar aufzubegehren. Dann muss ich
sie halt festbinden.
So leid es mir auch tut.
"Schau," sag ich, "sei froh, dass ich es bin und nicht mein Kollege.
Der kommt rein, reißt dir die Zunge raus, putzt damit seine Brille,
damit er besser ziehlen kann, zieht seine Waffe und - Peng."
Mein Kollege.
Meistens nehm ich mit meinem Gegenüber noch einen
letzten Drink. Aus meinem Flachmann.
Zuerst ich einen Schluck, dann er.
Wenn er festgebunden ist, will er meistens nicht.
Dann halte ich ihm die Nase zu, solang bis er den Mund
aufmacht - und glucks
"Prost" sag ich, "Prost spendet Trost".
Dann steck ich meinen Flachmann wieder ein.
Und dann ... Ja.
Oh ja, ich plauder immer mit der betreffenden Person,
bevor ich sie liquidiere.
Übrigens, mein Gedicht hat drei Strophen.

Du wohnst in einem Prachtpalast
aus weißem Sonnenschein
Und er selbst, der liebe Gott,
er wird Dein Nachbar sein.
Flügerln wirst haben und da oben ummafliagen
Und wenns aufgeigen, die Himmelsgeigen,
wirst Du dirigieren.
Wirst Du dirigieren.

© edition karl scheibmaier wien