Mondkinder

 

Wenn der leichenbleiche Mond ins Zimmer einestiert,
und das alte Fensterkreuz sein Schatten auf mich wirft,
dann weiß ich, sie warten auf mich.
Die Mondkinder warten auf mich,
unten am See.

Die beiden Buben, die zammg'wachsen sind,
die hinkende Marie,
der große Mann, der immer weint,
das fremde stumme Kind,
sie feiern heut Nacht ihr Fest.
Sie feiern das Mondkinderfest,
unten am See.

Du stille heilige,
du räudige,
große schöne Nacht!
Du alles wissende,
du beschützende,
himmelhohe, abgrundtiefe Nacht!
Spann deine Flügel aus,
die schwarzen Flügel aus,
und trag mich in a Welt, die's gar ned gibt,
trag mi obe zum See.

Die beiden Buben, die zsammg'wachsen sind,
spielen vierhändig Klavier.
Der große Mann, der immer weint,
kann Tränen jonglieren.
Die Marie tanzt auf dem Tisch mit einem Bein.
Das stumme Kind serviert uns Glühwürmchen-Wein
unten am See.

Wenn sich der leichenbleiche Mond nach Afrika verzieht
und die Schatten rundherum, das Schwarz langsam verliern,
dann werden bald die Hähne kräh'n,
und die Mondkinder kriechen ganz schnell
zurück in den See,
zurück in den See.


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